Interaktive Prototypen: Warum du deine App testen musst, bevor die erste Zeile Code geschrieben wird

Steven Kutalew
November 24, 2025
4 Minuten
Lesedauer
Interaktive Prototypen: Teste die App vor dem Code

Stell dir vor, du baust ein Haus. Du hast eine vage Idee, rufst ein Bauunternehmen an und sagst: "Fangt einfach mal an zu mauern. Wir schauen dann, wo das Badezimmer hinkommt."

Klingt wahnsinnig? Absolut. Niemand würde ohne Blaupausen und Architektenplan ein Haus bauen.

Doch in der digitalen Welt passiert genau das jeden Tag. Unternehmen investieren fünf- oder sechsstellige Beträge in die App-Entwicklung oder komplexe Web-Plattformen, basierend auf ein paar PowerPoints und statischen PDFs. Das Ergebnis ist oft ernüchternd: Die Usability hakt, Nutzer verstehen die Navigation nicht und Features, die auf dem Papier gut klangen, fühlen sich in der Realität falsch an.

Die Lösung für dieses teure Problem ist der interaktive Prototyp.

In diesem Artikel zeige ich dir, wie wir in unserer Agentur mit High-Fidelity Prototypen in Figma sicherstellen, dass dein digitales Produkt ein Erfolg wird – bevor wir auch nur eine Zeile Code schreiben.

Smartphone in einer Hand zeigt klickbaren Figma-Prototypen, im Hintergrund unscharf ein Laptop mit Interface-Design.

Was ist ein interaktiver Prototyp eigentlich?

Vergiss bitte alles, was du über statische Wireframes oder PDF-Präsentationen weißt. Ein interaktiver Prototyp ist kein Bild – er ist eine Simulation.

Dank moderner Tools wie Figma können wir heute sogenannte "Click-Dummies" erstellen, die vom Endprodukt kaum zu unterscheiden sind. Ein guter Prototyp beinhaltet:

  • Funktionierende Navigation: Du kannst dich durch Menüs klicken.
  • Micro-Interactions: Buttons reagieren auf Hover, Menüs sliden sanft herein.
  • Logik & Variablen: Formulare lassen sich (simuliert) ausfüllen, Toggle-Switches verändern den Zustand der App.
  • Geräte-Kontext: Du testest die App direkt auf deinem Smartphone, nicht mit der Maus am Desktop.

Der entscheidende Unterschied zur fertigen App: Es gibt kein "Backend". Die Daten sind Fake, die Datenbank existiert noch nicht. Aber das "Gefühl" – die User Experience (UX) – ist zu 99% real. Und genau darum geht es.

Die 1:10:100 Regel: Warum Design billig und Code teuer ist

Warum reiten wir so sehr auf diesem Thema herum? Weil wir dein Budget schützen wollen. In der Software-Entwicklung gilt eine eiserne Faustregel für die Kosten von Fehlerbehebungen:

  1. Design-Phase (1 €): Einen Fehler im Prototypen zu beheben (z.B. einen Button verschieben, einen User-Flow ändern), dauert Minuten. Kosten: Minimal.
  2. Entwicklungs-Phase (10 €): Wenn der Entwickler den Fehler im Code beheben muss, muss er Logik umschreiben, Tests anpassen und Code refactoren. Kosten: Moderat bis hoch.
  3. Nach dem Launch (100 €): Wenn der Fehler erst beim Nutzer auffällt, hast du ein Problem. Hotfixes, App-Store-Updates, frustrierte Kunden und Image-Schaden. Kosten: Explosiv.

Interaktives Prototyping sorgt dafür, dass wir alle Probleme in der "1 € Phase" finden und eliminieren.

3D-Infografik der 1-10-100 Regel: Vergleich der steigenden Kosten für Fehlerbehebung von Design (klein) über Entwicklung (mittel) bis hin zu teuren Post-Launch Fixes (groß, rot).

Von der Skizze zum Erlebnis: Unser Prozess

Viele Kunden fragen uns: "Verzögert das Prototyping nicht den Start?" Die Antwort ist: Ja, wir fangen später an zu programmieren. Aber wir sind insgesamt viel schneller fertig, weil wir im Development keine "Rückbau-Aktionen" haben.

So sieht der Ablauf aus:

1. Low-Fidelity (Das Skelett)

Bevor es hübsch wird, muss es funktionieren. Wir skizzieren die User Journey. Wo steigt der Nutzer ein? Welches Ziel hat er? Hier arbeiten wir oft noch mit grauen Kästen und Platzhalter-Texten. Das Ziel: Die Struktur validieren.

2. High-Fidelity Design (Das Gesicht)

Jetzt kommt das UI Design ins Spiel. Wir definieren Farben, Typografie, Abstände und Bildsprache. Wir nutzen Figma Variables und Components, um ein konsistentes Design-System aufzubauen. An diesem Punkt sieht die App aus wie fertig – ist aber noch statisch.

3. Prototyping (Das Leben)

Jetzt hauchen wir dem Design Leben ein. Wir verknüpfen die Screens.

  • Was passiert, wenn ich nach links wische?
  • Wie öffnet sich das Modal? (Pop-up, Slide-in, Fade?)
  • Bleibt der "Kaufen"-Button beim Scrollen fixiert (Sticky)?

Figma bietet hier mittlerweile extrem mächtige Funktionen wie Smart Animate. Damit können wir komplexe Übergänge simulieren, die sich nativ und flüssig anfühlen.

4. Testing & Iteration

Hier trennt sich die Spreu vom Weizen. Wir geben dir (und idealerweise echten Test-Nutzern) den Link zum Prototypen. Du installierst ihn auf deinem Handy und "benutzt" die App.

Hier fallen Dinge auf wie:

  • "Der Button ist für meinen Daumen zu weit oben."
  • "Ich dachte, der Text ist klickbar, ist er aber nicht."
  • "Ich verstehe nicht, wie ich zurückkomme."

Diese Erkenntnisse sind Gold wert. Wir ändern es im Design, updaten den Link, und das Problem ist gelöst.

Stakeholder überzeugen: Nie wieder "Stell dir vor, dass..."

Einer der größten Vorteile von interaktiven Prototypen ist psychologischer Natur.

Wenn du als Marketing-Manager oder Projektleiter Budget freigeben lassen musst, hast du es mit statischen Folien schwer. Investoren oder die Geschäftsführung müssen viel Fantasie aufbringen.

Mit einem Figma-Prototypen legst du dem CEO dein Smartphone auf den Tisch und sagst: "Probier es aus."

Das "Aha-Erlebnis" ist garantiert. Plötzlich diskutiert man nicht mehr über abstrakte Konzepte, sondern über ein greifbares Produkt. Das beschleunigt Entscheidungsprozesse massiv und sorgt für Stakeholder Buy-in. Jeder weiß genau, was gebaut wird. Missverständnisse wie "Ich dachte, das würde anders funktionieren" sind ausgeschlossen.

Erfolgreiches Kunden-Meeting in einer Agentur: Ein Designer zeigt Entwürfe auf einem Tablet, der Kunde signalisiert Zufriedenheit mit einem Daumen hoch.

Die technische Brücke: Figma to Webflow (oder Code)

Als Agentur, die auf Webflow und moderne Tech-Stacks spezialisiert ist, dient der Prototyp noch einem weiteren Zweck: Er ist die perfekte Arbeitsanweisung für unsere Entwickler.

Durch den "Dev Mode" in Figma können unsere Programmierer exakt sehen:

  • Welche Abstände (Padding/Margin) wurden gewählt?
  • Wie schnell ist die Animation (in Millisekunden)?
  • Welches Easing (Bewegungskurve) wird genutzt?

Das eliminiert das typische "Designer vs. Entwickler" Ping-Pong. Wenn wir den Prototypen final abgenommen haben, können wir ihn oft extrem effizient in Webflow oder React umsetzen. Das Ergebnis im Browser entspricht zu 100% dem Design. Pixel-Perfect ist bei uns keine Floskel, sondern Standard.

Fazit: Luxus oder Notwendigkeit?

Ist ein interaktiver Prototyp ein optionaler Luxus? Für eine einfache Visitenkarten-Website vielleicht. Aber für alles, was Interaktion erfordert – sei es eine SaaS-Plattform, ein E-Commerce Shop oder eine Corporate Website mit komplexer Lead-Generierung – ist er unverzichtbar.

Er ist deine Versicherung gegen Fehlinvestitionen.

Zusammengefasst:

  1. Du sparst massiv Entwicklungskosten.
  2. Du erhältst wertvolles Nutzer-Feedback vor dem Launch.
  3. Du überzeugst Investoren und Chefs mit einem "echten" Erlebnis.